Von Wanderpokalen und Schrottwichteln

Es schmerzt, ungeliebt und ungewollt zu sein. Kein Lebewesen verdient es, zum Schrottwichtel zu werden…

Täglich höre ich von Hunden, die sofort ihr Zuhause oder ihre aktuelle Unterkunft verlassen müssen und daher dringend eine neue Bleibe benötigen. Oft werden sie dann viele Male weitergereicht: dort eine Woche, dann dort zwei Wochen, dann dort ein paar Tage. Die Gründe, die für den Abgabewunsch angegeben werden, sind dabei ganz unterschiedlich. Einige Beispiele:

– Der Hund passt nicht in unseren Alltag.
– Der Hund verhält sich anders als beschrieben.
– Ein Kind ist unterwegs, ich möchte / kann mich nicht mehr um den Hund kümmern.
– Wir werden umziehen und der Hund kann nicht mit.
– Der Hund ist zu groß geworden, wir wollten einen kleineren Hund.
– Der Hund hat Angst vor den Kindern.
– Der Hund ist drei Tage nach seiner Ankunft immer noch nicht stubenrein.
– Der Hund ist auffällig, wir haben schon alles versucht!

…und so weiter.

Es gibt so viele "gute Gründe" dafür, dass ein Hund weitergereicht wird. Oft winzige und unbedeutende Gründe, die für mich nicht nachvollziehbar sind. Sie sind für mich deshalb nicht nachvollziehbar, weil ich der Überzeugung bin, dass der Mensch einen Fürsorgeauftrag hat und der Hund nicht leichtfertig wie eine Jeans zurückgegeben werden sollte. Wie eine Jeans, die in 3 verschiedenen Größen bestellt wird und dann ganz selbstverständlich zurückgegeben wird – das "Rückgaberecht kann ja voll ausgenutzt werden".

Der Fürsorgeauftrag gilt auch für die Seele – nicht nur für den Körper 

Der Hund ist keine Ware. Er ist ein fühlendes Wesen, das zu schützen ist. Nicht nur sein Körper, sondern auch seine Seele, sein psychischer Zustand.

Hunde, die aus dem Ausland kommen und zum plötzlichen Rückläufer werden, überfordern häufig die Tierschutzvereine. Die Gründe für die Rückgabe sind oft sehr fadenscheinig. Gründe wie "Der versprochene Hund sollte 3 Monate alt sein, der Tierarzt sagt aber, dass er 4 Monate alt ist!"  lassen einen kopfschüttelnd zurück. Sollte man wirklich mit solchen Menschen rechnen? Bei allem Bemühen und trotz gründlicher Vorkontrolle kann man auch den Adoptanten nur vor den Kopf schauen.

Wer jetzt denkt, dass es in diesem Text nur um Hunde aus dem Tierschutz geht, den muss ich enttäuschen. Auch Hunde von Züchtern können zu Rückläufern werden, können für den Käufer zu einer "Belastung" werden; beispielsweise wenn der Käufer schlecht informiert wurde, nicht ehrlich vom Züchter beraten wurde oder auch, weil der Züchter vielleicht einfach seine Welpen loswerden wollte. Vielleicht konnte man zu dem süßen Welpen auch einfach nicht nicht nein sagen und steht nun mit einem Hund da, der so gar nicht ins Leben oder ins eigene Weltbild passt.

Er erfüllt meine Vorstellungen an ein Zusammenleben mit Hund nicht. Sein Verhalten ist ganz anders als ich gedacht habe. Der Alltag ist auf einmal so anstrengend und stressig, ich muss mein ganzes Leben wegen des Hundes umkrempeln, das wollte ich nie!

Jetzt soll der Hund sofort weg, am besten abgeholt werden und schnell in eine Pflegestelle oder Endstelle ziehen. Immer alles schnell – schnell weg, schnell vergessen.

Und der Hund? Was er denkt und fühlt ist erstmal unwichtig, Hauptsache es wird schnell gehandelt. Hatte er irgendeine Chance, sein wahres, wundervolles Wesen zu zeigen? Hat er gespürt, dass er geliebt wird und sich sicher fühlen darf? Nein!

Ein Bindungsabbruch, auch wenn die Bindung noch ganz schwach war, verändert beim Leidtragenden, beim Hund, so viel . Er hat gespürt, dass er nicht willkommen ist, er hat die vielen Spannungen im Raum gespürt. Er spürt, wenn die Menschen um ihn herum unzufrieden sind. Niemand hat versucht, sein Verhalten zu verstehen, niemand wollte ihm sein Herz öffnen.

Es schmerzt so sehr, ungeliebt und ungewollt zu sein

Oft wird völlig unterschätzt und nicht verstanden, wie sehr das Bindungsempfinden des Hundes durch ein Weiterreichen Schaden nimmt, wie wenig sicher er sich fühlt, nicht aufgefangen. Diverse Verhaltensauffälligkeiten können hierdurch entstehen.

 

Diese Verhaltensauffälligkeiten können sich ganz unterschiedlich zeigen und ausprägen. Irgendwann lassen sie sich nicht mehr darauf zurückführen, dass der Hund sich immer wieder an wechselnde Bezugspersonen anpassen musste – dann heißt es nur noch "Der Hund ist verhaltensauffällig und hat deswegen schon so viele Familien durch" oder "Der Hund ist ein hoffnungsloser Fall, schon viele haben es mit ihm versucht".

Häufig soll das Wort "Wanderpokal" so einen Hund beschreiben. Meiner Meinung nach ist dieser Begriff aber eher eine völlig unpassende Beschönigung. Denn ein Pokal ist doch etwas, das jeder haben möchte, das eine besondere Leistung auszeichnet.

Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Für mich ist jeder Hund ein Gewinn! Eigentlich ist es der Hund, der den Pokal verdient hätte. Für all das, was er bereit ist zu geben. Für seine Bereitschaft, sich immer wieder auf Menschen einzulassen, wenn auch sie es ehrlich meinen.

Jeder Hund ist ein Gewinn! Und viele verdienen einen Pokal…

Von den Menschen wird er jedoch nicht so gesehen. Er ist lästig und soll schnell weg, er wird zum "Wanderpokal".

Dabei ist das eigentlich der verkehrte Ausdruck. "Schrottwichtel" trifft es besser, denn dieser Begriff bezeichnet etwas, das niemand will, das man schnell loswerden möchte. Man ist unzufrieden, wenn man es dann doch erwischt. Kein Lebewesen sollte der "Schrottwichtel" für uns Menschen sein! Kein Lebewesen hat das Gefühl der Ablehnung oder der Wertlosigkeit verdient.

Jedes Lebewesen sollte geschätzt und aufrichtig für das geliebt werden, was es ist. Jedes Lebewesen, das gemeinsam mit uns auf dieser Welt ist, hat ein schlagendes Herz, es fühlt.