Ich war gerade mit Qaani, einem kaukasischen Owtscharka und Schützling meines Herzensvereins Hilfe für Herdenschutzhunde e.V. unterwegs. Ich ging mit ihm eine Straße entlang, was er ziemlich aufregend fand. Hätte ich ihn in dieser Situation nicht angeleitet und ihm Sicherheit gegeben, dann wäre er, als Reaktion auf einen LKW, aufgeregt an mir hochgesprungen. Solche Momente berühren mich immer wieder, weil sie zeigen, was für ein Sensibelchen Qaani ist – und wie wichtig meine Unterstützung für ihn ist, um nicht so sehr in Aufregung zu geraten.
Vielleicht kennst du das von deinem Hund auch: wenn es besonders aufregend wird, reagiert er auf die Reize, mit denen er noch nicht so gut umgehen kann? Springt an dir hoch? Vielleicht wurde dir bisher weisgemacht, dass dein Hund das macht, weil er dich nicht ernst nimmt? Es wurde dir vorgeschlagen härter durchzugreifen, damit er mehr auf dich achtet und sich nicht so „respektlos“ verhält? Aber es wurde dir auch gesagt, dass du ihn führen musst?
Okay, dem Teil mit dem Führen stimme ich zu. Aber dem „hart durchgreifen“ stimme ich auf keinen Fall zu! Werden darunter doch landläufig Methoden verstanden, die deinen Hund einschüchtern, erschrecken oder ihm Schmerzen zufügen.
Je anfälliger der Hund für Reize ist, desto größerist sein Bedürfnis nach Sicherheit und Führung
Wenn dein Hund bei Konfrontation mit Reizen übertrieben oder sogar übergriffig reagiert, benötigt er Anleitung und Schutz. Denn er wähnt in allem eine Gefahr – wie belastend das für ihn sein muss. Gib deinem Hund den benötigten Schutz, halte ihn!
Einerseits ist dein Hund ein solch feinfühliges, sensibles Wesen (und bitte mach das nie an seiner Körpergröße fest oder in seiner Wucht, wenn er sich aufregt), andererseits aber hinterfragt er deine Führungskompetenz? Dann ist Liebe allein nicht ausreichend! Liebe ist und bleibt ein Grundnahrungsmittel, aber Liebe allein gibt deinem Hund nicht die Führung, die er braucht – erst recht in schwierigen Situationen.
Liebe allein ist noch keine Führung
Willst du wissen, wie sich Führung anfühlt und wie derjenige sich zu verhalten hat, von dem du dich bereitwillig führen lassen würdest? Dann versetze dich zurück in die Tanzstunde …
Wie hast du dich gefühlt, wenn du einen Tanzpartner hattest, bei dem du dich – im übertragenen Sinne – fallen lassen konntest? War das nicht ein großartiges Gefühl? Ich dachte immer, ich schwebe, alles fühlte sich so leicht und selbstverständlich an. Wenn ich merkte, dass mein Tanzpartner das Führen wirklich drauf hatte, war das sehr anziehend. Ich wurde förmlich durch den Tanzraum getragen, das Tanzen konnte dann so viel Freude bereiten. Ich musste mir keine Gedanken machen, die Führung durch meinen Tanzpartner war angenehm und beruhigend.
Hättest du diese Sicherheit und das Vertrauen in deinen Tanzpartner auch empfunden, wenn er dich angeschnauzt hätte: „Nun lass gefälligst mal locker, entspann' dich! Komm mit und fühl dich wohl!“…?
Du wirst mir sicherlich zustimmen:
Erstens: du hättest dich nicht wohlgefühlt und
Zweitens: du hättest gedacht: „Was für ein selbstherrlicher Idiot!“ und
Drittens: du hättest dir gedacht: „Oh, jetzt muss ich erst recht aufpassen, der überschätzt ganz eindeutig seine Fähigkeiten. Wer weiß, ob wir nicht mit allem kollidieren, was uns in den Weg kommt. Wer weiß, auf welche absurden Ideen der noch kommt!“ und schließlich
Viertens: hättest du dir diesen Tanzpartner beim nächsten Tanz noch einmal ausgesucht?
Es gibt Frauen, die sich beim Tanzen bereitwillig führen lassen und die, die sich nicht so gerne führen lassen. Keine ist deswegen besser oder schlechter, jeder Mensch ist genau richtig, so wie er ist! Wenn du aber zu den Frauen gehörst, die sich nicht so gerne beim Tanzen führen lassen und dein Tanzpartner fordert: „Nun lass dich endlich führen!“. Was denkst du dann? Ich fand das immer recht befremdlich und dachte: „Dann führ doch! Wenn du nicht führst, kann ich mich ja schlecht führen lassen!“. So ein vages, unbeholfenes „Ich weiß schon, wie das geht!“ von meinem Tanzpartner, hat mir nicht ausgereicht.