Vermeide das frontale Ausrichten der Körperfront zum Hund. Ein misstrauisches Gegenüber kann dies schnell als eine Provokation missversteht, ähnlich wie ein direkter Blick in die Augen. Aus diesem Grund ist es für den Hund angenehmer, wenn die Ausrichtung Deiner Körperfront leicht versetzt ist. Das Abwenden der Körperfront ist keinesfalls als ein unnatürliches Verdrehen um 90° zu verstehen. Wenn Du dabei auch noch auf eine entspannte Grundhaltung – ruhige Atmung, Schultern und Hände tief getragen – achtest, ist der Kontakt umso unverfänglicher. Ich rate Dir davon ab, die Körperfront abrupt so weit abzuwenden, dass dem Hund plötzlich der Rücken zugewandt ist. Dies kann einen abwehrbereiten Hund zu einem Übergriff animieren.
Selbst in der Hocke solltest Du Dich nicht mit zugewandter Körperfront unmittelbar vor dem Hund aufhalten. Zum einen ist dies für viele Hunde unangenehm, zum anderen birgt es das Risiko einer Abwehr, wenn beim Aufstehen der Oberkörper leicht nach vorne Richtung Hund kippt.
Es sollte vermieden werden, sich über den Hund zu beugen. Dies ist umso stressender für ihn, je weniger er den Menschen kennt und ihm vertraut. Ist eine Untersuchung der abgewandten Seite des Hundes notwendig, so ist ein Seitenwechsel anzuraten.
Ein achtsamer Umgang schließt nicht aus, dass – je nach Verhalten des Hundes und Dringlichkeit der Maßnahme – bei der Fixation eine Bewegungseinschränkung mit einem freundlichen, aber bestimmten Durchsetzen notwendig ist. Hierbei solltest du jedoch immer die Verhältnismäßigkeit wahren und überlegen, wann es nicht doch besser ist, den Hund für eine Behandlung zu sedieren oder zumindest ein Beruhigungsmittel zu geben.
4. Vermittle dem Hund über die Leine Sicherheit und Verbundenheit
Verzichte beim Führen des Hundes auf eine überzogene Betriebsamkeit und Hektik; ein hektisches Gehen mit schwungvoll bewegten Armen erhöht das Erregungslevel des Hundes. Du solltest stattdessen auf "allen Kanälen" Gelassenheit und eine stoische Unbeirrbarkeit ausstrahlen, Schultern und Hände möglichst tief tragen und den Hund achtsam und sicher führen. Je ruhiger die Hand ist, die den Hund an der Leine führt, desto ruhiger kann der Hund werden. Da die Hand oft unbewusst bewegt wird, hilft ein Trick: Der Daumen der Leine-haltenden Hand wird in einer Hosentasche, am Gürtel oder dergleichen eingehakt, er wird geankert.
Die Tierarztpraxis ist keine Kontaktbörse! Der Direktkontakt mit fremden Hunden in dieser Situation stresst und tut den wenigsten Hunden gut.
An der Leine ist in der Regel die Bereitschaft des Hundes größer, sich auf den jeweiligen Menschen einzulassen. Die Leine ist nicht allein als bewegungseinschränkendes Mittel zu sehen, sondern sie kann auch einem mit der Situation überforderten Hund Sicherheit vermitteln, da sie wie ein Händchenhalten wirkt.
Wozu auch immer die Leine eingesetzt wird, ihr Gebrauch sollte stets liebevoll sein.
Um das Erregungslevel des Hundes nicht unnötig zu erhöhen, sollte die Leine möglichst nicht nach oben gezogen werden. Dies ist oftmals zu sehen, wenn der Hund kurz genommen wird, um ihn in einer schwierigen Situation zu sichern. Die Hände sollten beim Kurzhalten der Leine tief und ruhig gehalten werden. Des Weiteren sollte darauf geachtet werden, dass die Leine nicht unkontrolliert um oder auch gegen den Hund geschwungen wird.
Die Körperfront des Menschen gibt einen wichtigen Hinweis, wohin er gehen möchte. Somit ist die Körperfront in die gewünschte Laufrichtung zu orientieren ohne dabei den Hund aus dem Blick zu verlieren. Die klare Ausrichtung der Körperfront hilft besonders dann, wenn es dem Hund schwerfällt, seinen vertrauten Menschen zu verlassen oder grundsätzlich sich von einem anderen Menschen führen zu lassen.
5. Vermittle dem Hund Geborgenheit, wenn er von seinem Menschen getrennt ist.
Ein Hund kann selbst dann durch die Trennung von seinem Menschen unter erheblichem Stress leiden, wenn er keine auffälligen Reaktionen zeigt wie beispielsweise Trauer, Angst oder Aggression. Der Trennungsstress kann durch die Temperatur beeinflusst werden, da sie sich auf das Geborgenheitsempfinden und wie sehr der Hund sich dem Menschen öffnet, auswirkt. Dem Hund sollte daher eine frei aufsuchbare Wärmequelle zur Verfügung stehen, die Raumtemperatur sollte heimelig sein, das Trinkwasser angenehm temperiert, ebenso die Feuchtnahrung.
Aber auch die Textur wirkt sich auf das Geborgenheitsempfinden aus. Daher sollte dem Hund auch immer etwas aus einem kuscheligen Material zur Verfügung stehen, am besten in einem beruhigenden Farbton wie grün.
Je kuscheliger die Decke, umso stärker wirkt sich das auf das Gefühl der sozialen Eingliederung aus.
Das Gefühl gehalten zu werden und eingerahmt zu sein kann über einen Operations-Body erzielt werden, dessen eigentlicher Verwendungszweck der Leckschutz ist; ein Hundemantel bewirkt einen ähnlichen Effekt. Sogar Verbände können dem Hund ein besseres Körpergefühl vermitteln und ihm so Halt geben und gegen seine Angst helfen.
Mit Hilfe vertrauter Gerüche und Objekte fügt sich der Hund schneller in eine neue Umgebung ein. Gerade auch beim Aufwachen aus der Narkose kann ihm dieser Geruch helfen, sollte der Besitzer nicht dabei sein.
Die Einstellung "Herrscher Mensch und Untertan Hund" ist nicht zielführend.
Reagiere nicht aufgebracht, wenn der Hund nicht kooperiert. Auf ein unerwünschtes Verhalten des Hundes (beispielsweises Bellen, Herumzappeln, Knabbern an Verbänden und dergleichen) und mangelnde Kooperationsbereitschaft mit der Einstellung zu reagieren, dass er gewaltvoll besiegt werden muss, führt zu Feindseligkeit.
Mensch und Hund unterscheiden sich nicht in ihrem Bindungswunsch.
Ein netter Blick und eine freundliche Ansprache geben dem Hund das Gefühl, wahrgenommen und willkommen zu sein, was seine Kooperationsbereitschaft erhöht. Ein konzentrierter, dabei stirnrunzelnder, leicht als missmutig falsch zu interpretierender Gesichtsausdruck ist zu vermeiden. Ebenfalls zu vermeiden ist, dass sich unmittelbar vor der Stationsbox, während der Hund immer mal wieder angeschaut wird, ein hitziges, emotionales Gespräch entwickelt. Der Hund kann dies nicht einschätzen, bezieht es auf sich, was ihn beunruhigt und seine Sorge vor den fremden Menschen verstärken kann.
6. Nimm dem Hund schon durch die optimale Gestaltung der Praxis Stress!
Das Raumklima der gesamten Praxis wie Empfang, Wartezimmer, Behandlungsraum sowie aller anderen Räumlichkeiten wirkt sich auf die Patientenzufriedenheit aus.
So beachte bei der Farbgestaltung der Räume, dass jede Farbe eine für sie typische Wellenlänge und Energie hat, die eine bestimmte Wirkung auf den Organismus und damit die Gefühlswelt von Mensch und Hund beeinflusst. Um ein gemütliches, vertrautes Ambiente zu schaffen, sind zarte Farben in hellen, warmen Erdtönen empfehlenswert; auf ein steriles eintöniges Weiß ist zu verzichten.
Unterschätze nicht die psychologische Wirkung von Farben.
Geräusche wirken ebenfalls auf den Organismus. Je lauter und unvermittelter sie sind, umso unangenehmer werden sie wahrgenommen und erhöhen das Stresslevel. Eine besänftigende Atmosphäre kann mit einer angenehmen, unaufdringlichen Hintergrundmusik erzeugt werden. Denke zusätzlich an einen ausreichenden Schallschutz, da gerade in einer Arztpraxis aus hygienischen Gründen oft glatte Oberflächen dominieren. Schallfänger schlucken den Schall und schaffen dadurch eine weniger stressbeladene Geräuschkulisse und sorgen für eine gezielte Beruhigung der Räume.
Wische die "Angst-Ansteckung" weg!
Sauberkeit ist nicht nur wichtig, damit keine Krankheitserreger übertragen werden und um eine Umgebung zu schaffen, in der man sich wohlfühlt. Sie ist auch unter dem Aspekt wichtig, dass sich Hunde nicht an der Angst anderer Hunde und auch Menschen über Botenstoffe anstecken. Daher sollte mindestens ein kurzes Durchlüften des Behandlungsraumes nach jedem Patienten stattfinden, und es kann bei besonders ängstlichen und abwehrbereiten Hunden empfehlenswert sein, einmal mehr über den Boden zu wischen.
Auch mit ätherischen Ölen kannst Du Einfluss auf das emotionale Befinden von Mensch und Hund und damit auf das seelische Wohlbefinden und die Stimmungslage nehmen; selbst auf das Schmerzempfinden können sie lindernd wirken. Du solltest hierbei darauf achten, ausschließlich 100 Prozent naturreine ätherische Öle in Aromatherapie-Qualität zu verwendet; in der Anwendung sind sie äußerst sparsam. Meine bevorzugten Öle sind Orange und Lavendel. Orange ist stimmungsaufhellend, hilft gegen innere Unruhe, gereizte Stimmung und Nervosität und wirkt sich auch positiv auf das Schmerzempfinden und das Schlafverhalten aus. Lavendel trägt zu einem Wohlbefinden von Mensch und Hund bei, gilt als beruhigend auf das zentrale Nervensystem, vermindert Ängstlichkeit und Anspannung und fördert den Schlaf.